Ein Rundgang durch unser Dorf
- Reinhardtsgrimmaer Straße (Mit Neubaugebiet) -
Wir laufen vom Ortsausgang Schlottwitz wieder bis zur
Einmündung der Reinhardtsgrimmaer Straße, biegen dort ein und erkennen
linker Hand das im Jahr 2001 fertig gestellte Eigenheim der Familie Heiko
Stefan. Es hat die Hausnummer Reinhardtsgrimmaer Straße 1a.
Gegenüber befindet sich das ehemalige Gut Grumbt mit der
Haus-Nr.2. Im Jahre 1875 wurde dieses Gehöft von Herrn Schwenke gebaut. Nachfolgende Besitzer waren Herr Schüttig und Gustav Ullrich. Herr Ullrich
verpachtete es später an Bruno Grumbt, der es dann auch 1950 kaufte. 1958
übergab es Herr Grumbt seiner Tochter Elly mit Ehemann Arthur Steinich. 1973
wurde Manfred Steinich Besitzer. 1978 ist die Scheune aus dem Gehöft
ausgegliedert und an Herrn Josef Faulhaber aus Glashütte verkauft worden.
Die Scheune ist derzeit sehr baufällig.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite erkennen wir das
Betriebsgelände der Agrargenossenschaft mit Garagen, Abstellplätzen und
Tankstelle.
Wir
kommen nun auf der rechten Seite der Straße zum so genannten Neubaugebiet,
von den Alteingesessenen auch liebevoll "Klein-Portugal" genannt. Alle Häuser gehören zur Reinhardtsgrimmaer
Straße. Wie in einem Labyrinth sollten wir uns beim Rundgang immer rechts
halten. So kommen wir an allen Häusern vorbei und landen irgendwann wieder
an der einzigen Einfahrt.
Die
Entstehungsgeschichte dieser Siedlung ist sicher typisch für das
Baugeschehen nach der Deutschen Einheit in den 90-er Jahren im "Wilden
Osten". Neben den wirklichen Entwicklungshelfern machten sich auch viele
Glücksritter auf den Weg von West nach Ost, um dort mit nicht immer ganz
seriösen Methoden das schnelle Geld zu verdienen.
Im Jahre 1992
beschloss der Gemeinderat der damals noch selbstständigen Gemeinde Cunnersdorf die Erschließung eines Wohnungsbaustandortes östlich der
Reinhardtsgrimmaer Straße. Zur Realisierung dieses Vorhabens erwarb die
Gemeinde auch erforderliche Grundstücke. Das Erschließungsprojekt wurde
gefördert durch das Sächsische Staatsministerium für Finanzen. Die ca.
1,6 ha große Fläche wurde in 30 Parzellen von jeweils ca. 400 bis 600 m²
aufgeteilt. Die Erschließungsarbeiten begannen 1993. Nach
Einbruch des Winters wurden die Arbeiten unterbrochen und im Frühjahr 1994
zu Ende geführt.
Den Zuschlag für
die Vermarktung der Grundstücke sowie zur Ausführung der Bauleistungen
erhielt eine Firma. Der Verkauf der Grundstücke lief zügig an und bereits
im August 1993 wurden die ersten Kaufverträge notariell abgeschlossen. Der
Grundstückspreis lag bei 125 DM/m² (entspricht ca. 63 €/m²), darin waren
die anteiligen Kosten für die Kläranlage enthalten. Gleichzeitig mussten
die Käufer allerdings einen Bauvertrag über die Errichtung eines
Einfamilienhauses mit der Vermarktungsfirma abschließen. Dieser Bauvertrag
sah eine Anzahlung von 10% der Bausumme vor. Damit erhielt die Firma ohne
nennenswerte Gegenleistung ungefähr eine halbe Million Euro.
Der
Verkaufsberater der Firma verstand sein Geschäft. Er lockte die Kunden
sehr glaubhaft mit allerlei Versprechungen. So sollten die ersten Häuser
schon im Dezember 1993 im Rohbau fertig sein - vorausgesetzt, der
Vertrag wird schnell unterschrieben. Das war jedoch bei dem damaligen
Stand der Erschließungsarbeiten eine reine Utopie.
So kam der Sommer
1994 heran, ohne dass sich auf den Baustellen etwas bewegte. Inzwischen
hatte die Vermarktungsfirma die Bauverträge an eine andere Firma
abgetreten, welche dies den Bauherren am 02. Mai 1994 schriftlich
mitteilte. Erst einen Monat später, am 07. Juni 1994 bestätigte die
ursprüngliche Firma, dass sie sich außerstande sieht, die Verträge zu
realisieren. Die Bauherren schlossen nun neue Verträge mit dem neuen
Baubetrieb, der auch die bereits entrichtete Anzahlung von 10% der
Bausumme mit übernahm.
Nun könnte man
meinen, dass einem baldigen Baubeginn nichts mehr im Wege stand. Aber es
vergingen weitere Wochen, bis die neue Baufirma mittels einer
"Baubehinderungsanzeige" am 08. Juli 1994 den Bauherren den Grund für die
Untätigkeit mitteilte: Die Bodenbeschaffenheit entsprach nicht dem Vertrag
und es wurden keine Ausführungsplanunterlagen von der ursprünglichen Firma
übergeben.
Das Problem der
Kosten bekam die neue Baufirma scheinbar dadurch in den Griff, indem sie
15 portugiesische Gastarbeiter für den Bau nutzte. Diese Arbeiter
erschienen an einem Freitagnachmittag beim damaligen Cunnersdorfer
Bürgermeister Gerd Reichel auf dem Gemeindeamt. Nur einer der Arbeiter war
einer Fremdsprache mächtig: Englisch! Finanziell ausgestattet waren sie
mit 200 französischen Franc. Im Verlaufe des Abends erschien noch ein
Vorarbeiter und es erfolgte eine Unterbringung in einer Wohnung im
ehemaligen Gut Löbe.
Die
portugiesischen Bauarbeiter gehörten fortan zum Dorfbild und manch einer
erinnert sich an den für die Versorgung zuständigen Arbeiter. Dieser
schleppte unermüdlich mehrmals täglich mit Taschen und Kisten bepackt
Lebensmittel heran, die er im damaligen EDEKA-Laden am Mittelweg kaufte.
So primitiv die
Unterkunft war, so bescheiden waren auch die Arbeitsgeräte. Technik war
bis auf einen betagten Kipper auf der Baustelle kaum zu sehen. Einen Kran
konnte man sich offenbar schon gar nicht leisten. Auch Gerüste, die den
Vorschriften entsprachen, waren kaum vorhanden. Es ist fast ein Wunder,
dass dabei kein Unfall passierte.
Bis zum Jahresende
entstanden so doch noch einige Häuser sogar bis zur Rohbauphase, andere
Bauherren schafften es bis zur Kellerdecke. Zum Schutz vor
Witterungseinflüssen wurden noch vor der Winterpause die Keller mit Planen
abgedeckt. Eine sinnlose Arbeit, wie sich herausstellte - der
Cunnersdorfer Wind fegte die Planen schnell wieder weg. Die Bauherren
hatte alle Hände voll zu tun, diese zu befestigen. Trotzdem gelangte viel
Feuchtigkeit in das Mauerwerk, in manchen Kellern stand das Wasser
kniehoch.
Kurz vor
Weihnachten 1994 reisten die Portugiesen nach Hause ab und auf der
Baustelle trat wieder Ruhe ein. Die Winterpause sollte jedoch sehr lange
anhalten. Im März 1995 machte schließlich das Gerücht vom Konkurs der
Baufirma die Runde und die nerven der Bauherren lagen blank. Im April war
es Gewissheit, die Firma war pleite. Für die meisten Bauherren war das ein
harter Schlag, denn die Summe der bisher erfolgten Abschlagszahlungen lag
in der Regel weit über dem tatsächlichen Wert der erbrachten Leistungen.
So mancher Bauherr war nun gezwungen, finanzielle Verluste durch
verstärkte Eigenleistungen auszugleichen.
Ab Mai 1995 begann
dann reges Treiben im Baugebiet. Viele Baubetriebe aus der Region bekamen
Aufträge in Cunnersdorf. Oft waren die Straßen völlig zugeparkt von den
Autos der zahlreichen Bauarbeiter. Auch fanden nun häufig
Baustellenkontrollen durch die zuständigen Aufsichtsbehörden statt. Zum
Beispiel wurden Baugerüste gesperrt, weil sie nicht vorschriftsmäßig
aufgestellt waren. Auch die Bauberufsgenossenschaft war häufig vor Ort, um
die Bauherren auf ihre Versicherungspflicht hinzuweisen. Ein Jahr zuvor
fanden diese Kontrollen merkwürdiger Weise nicht statt.
Im Juli 1995 war
es dann soweit: Die Familie Langer konnte als erste ihr neues Heim
beziehen. Da ergab sich ein neues Problem - die Kläranlage war nicht
rechtzeitig fertig gestellt worden. Bis zum Jahresende wurde dann Haus um
Haus fertig und zu Weihnachten 1995 wohnten ca. 10-12 Familien im
Neubaugebiet. Bis Ende 1998 entstanden hier 28 Einfamilienhäuser, zwei
Parzellen blieben unbebaut. Davon wurde eines von den Anliegern erworben und
als Garagenstellplatz bzw. Garten genutzt.
Folgende Familien,
Ehepaare oder auch Einzelpersonen bewohnen die Neubausiedlung:
Nr. 3: Gerhard Schubert |
Nr. 5: Jens Protzner |
Nr. 6: Günter Müffke |
Nr. 7: Ulf Härtel |
Nr. 8: Frank Pfau |
Nr. 9: Uwe Cranze |
Nr.10: Alfons Weiß |
Nr.11: Wolfram Thieme |
Nr.12: Horst Diekmann |
Nr.15: Carsten Faust |
Nr.16: (unbebaut - Besitzer Evelin Steinmann) |
Nr.17: Falk König |
Nr.18: Martin Liebe |
Nr.19: Manfred Uhlhorn |
Nr.20: Waltraut Hartmann |
Nr.21: Ulrich Hempel |
Nr.22: Dieter Westphal |
Nr.23: Edda Schneider |
Nr.24: Mathias Julich |
Nr.25: Jörg Schöne |
Nr.26: Klaus-Dieter Lorenz |
Nr.27: Dieter Olsen |
Nr.28: Wolf-Dieter Powroznik |
Nr.29: Heinz Schmidt |
Nr.30: Jürgen Roloff |
Nr.31: Lothar Vonderlind |
Nr.32: Rolf Fötzsch |
Nr.34: Gunar Langer |
Ein Spaziergang durch diese schöne Siedlung lässt nun längst nicht mehr
erahnen, welchen psychischen und finanziellen Belastungen die Eigentümer
in der Bauphase ausgesetzt waren.
Unser
Rundgang durch Klein-Portugal endet wieder an der Ausfahrt zur
Reinhardtsgrimmaer Straße. Wir wenden uns in Richtung Ortsrand. Dort
finden wir noch zwei
Wochenendhäuser an der Reinhardtsgrimmaer Straße. Rechts mit der Haus-Nr.4
das Wochenendhaus Liebert. und links mit der Haus-Nr.1 das Wochenendhaus
von Herrn Weichelt. Beide sind von hohen Hecken umgeben, welche schön
gestaltete Gärten verbergen.
Vom Ortsrand haben wir noch einen schönen Blick über die Neubausiedlung im
Vordergrund und dem "alten" Cunnersdorf im Hintergrund.
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