Wanderung zu Kanzel, Pilz und Bastei

Die Entstehung der Heckenstreifen (auch Steinrücken genannt), wie man sie
am gegenüberliegenden Hang sieht, ist ursächlich verbunden mit der
Urbarmachung von Boden zur landwirtschaftlichen Nutzung. Dies geht im
Osterzgebirge bis in das 15./16. Jh. zurück.
Hoher Steingehalt der Gneisverwitterungsböden zwang Bauern und Siedler in
mühevoller Handarbeit, eine praktisch unendliche Menge größerer und
kleinerer Steine auf Streifen vorwiegend an den Besitzgrenzen abzulagern.
Im Verlaufe der Jahre und Jahrhunderte kontinuierlicher Arbeit wuchsen
daraus Wälle.
Das nackte Gestein erschlossen als erstes Flechten und Moose für einen
neuen Lebensraum einer nachfolgenden, üppigen Pflanzenwelt. Die sich
daraus bildende Erdkrume nutzten als Nächstes anspruchslose Gräser und
Kräuter. Durch den fortwährenden Verrottungsprozess mit Humusbildung und
den fortwährenden Laubabfall siedelten sich anspruchsvollere Kräuter und
Sträucher an. Sämereien unserer heimischen Laubbaumarten, durch Wind und
Vögel verbreitet, fanden keimfähigen Boden und somit neuen Wuchsraum.
Gleiche Besiedlungsphasen ergaben sich für alle Gattungen unserer
Tierwelt, die in den Heckenstreifen Zufluchtsstätte und Lebensraum fanden.
Es entstand eine kaum nachvollziehbare Lebensgemeinschaft mit einer
unvergleichlichen Artenvielfalt. Dieses sich entwickelnde Biotop ist ein
typisches Merkmal der Landschaft unserer Heimat. Heckenstreifen /
Steinrücken unterliegen einem besonderen Schutz!
Neun bebuschte Steinrücken gestalten die Rückenhainer Felder zu einem
Flurbilde eigener Art. Nach diesen langen Steinwällen mag das Dorf seinen
Namen erhalten haben. Von jedem Bauernhofe aus zieht sich das dazugehörige
Feld als ein zusammenhängendes Stück Land nach Westen hin, abgegrenzt vom
Nachbargrundstück durch die strauchbestandenen Steinanger. Kein Landwirt
braucht ein fremdes Grundstück zu betreten, um das eigene bewirtschaften
zu können. Ein solcher Landstreifen, der jedem der ersten Siedler
zugewiesen wurde, hieß Hufe oder Hube und war groß genug, ihn und die
Seinigen zu ernähren. Kauf, Verkauf und Erbschaft schufen aus dem
ursprünglichen Einhufer den 11/2-, 13/4-
und 2-Hufer, den 3/4-, 1/2-
und 1/4-Hufer.
Davon erzählen die alten Ortshufenverzeichnisse. Auch über die Bewirtschaftung der Grundstücke
enthalten sie Mitteilungen, wie viel verwendet wird zu Saatfeld
einschließlich Brache, zu Wiese, zu Garten gemachtes Feld, wieviel mit "Holtzung"
("Schwartz- oder Laubholtz") bestanden. Aber auch über Bodenbeschaffenheit
und Anbaupflanzungen geben die Verzeichnisse Kunde. Vor Jahrhunderten warf
der Neusiedler den ersten Stein an den "Rainbaum", wovon viele seinen
Eigengrund umgrenzten. Nach heißem Ringen mit dem Urboden kam der
feierliche Tag, an dem der Pflug die erste Furche hinein schnitt.
Andächtig reihte der Bauer mit gebücktem Rücken Furche an Furche. Die neue
Heimat war bereit, den ersten Samen aufzunehmen.
Stein um Stein sind die langen, flurbegrenzenden Wälle aus dem Boden
gehoben. Nach jedem krümmte sich ein Menschenrücken, jeden fasste eine
Bauernhand. Urväter warfen den ersten Stein dazu, Geschlechter formten in
Jahrhunderten weiter. Zeugen sind sie von zäher Kulturarbeit, wie der
Ackersmann mit dem Boden gerungen und beim Vergehen seinen Sieg über die
Scholle dem Sohne gab. Wir ahnen die gewaltige Menge von Arbeitstagen, die
seit dem ersten Saatenwurf in jungfräulichen Grund bis zur Stunde
verrannen. So wird in Zukunft das Weiterwachsen der Steinrücken sichtbar
Zeugnis dafür ablegen, wie sich an den alten Stamm immer wieder neue
Geschlechter reihen und der Väter Bodenliebe und Bodentreue als heiligen
Erbgut bewahren.
Teilweise aus: "Das war - das ist unser Glashütte" (S.85)
Chronik von Glashütte anlässlich der 450-Jahrfeier im Jahre 1956
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